Simualtion Bessere Servolenkung durch Virtual Prototyping
Feng Qui und sein Team von FZB Technology haben die multiphysikalische Simulation genutzt, um elektrohydraulische Servolenkungssysteme zielgerichtet zu verbessern.
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Wer jemals ein Fahrzeug ohne Servolenkung gefahren ist, kann sich sicherlich gut daran erinnern, wie schwer sich das Lenkrad drehen lies, um die Lenkbewegung auszuführen. Zum Glück liegen diese Zeiten hinter uns. Servolenkungssysteme – die das Steuern eines Fahrzeuges durch die Unterstützung der Lenkgetriebe deutlich komfortabler machen – haben im Laufe der Jahre viele Verbesserungen erfahren und werden kontinuierlich weiterentwickelt.
Elektrohydraulische Servolenkung als treibstoffeffiziente Lenkmethode
Bis in die 90er Jahre hinein waren hydraulische und elektrische Ausführungen von Servolenkungen weit verbreitet. Diese waren allerdings nur die Vorgänger der nun verfügbaren, treibstoffeffizienteren Lenkmethode, die sogenannte elektrohydraulische Servolenkung (electrohydraulic power steering, kurz: EHPS). Eine EHPS baut auf einem konventionellen hydraulischen Setup auf, nutzt aber statt der Leistung des Fahrzeugmotors einen elektrischen Motor, um die hydraulische Pumpe anzutreiben. Da die elektrische Motorleistung dem Lenkwinkel und der Geschwindigkeit des Fahrzeuges angepasst wird, wird deutlich weniger Leistung verschwendet.
Bei dieser Methode fördert die Pumpe eine Flüssigkeit aus einem Reservoir zu den Lenkgetrieben, welche dann ein zusätzliches Drehmoment erzeugen, um die Räder zu drehen, sobald der Fahrer das Lenkrad bedient. Das System umfasst darüber hinaus eine elektronische Steuerungseinheit (ECU), Drehmomentsensoren, Ventile zur Steuerung des Flüssigkeitsdruckes und ein Leitungssystem.
Die Feinheiten eines EHPS
Die Auslegung eines Systems mit so vielen voneinander abhängigen Komponenten ist keine einfache Aufgabe, da die Reaktion einer Komponente sehr oft von einer anderen abhängt. Scheinbar kleine Änderungen können sehr große Auswirkungen auf die erfolgreiche Funktionserfüllung, Effizienz und Zuverlässigkeit des Systems haben. „Ein Werkzeug, das die Detailauslegung im Entwicklungsprozess beschleunigt, ist die multiphysikalische Simulation“, sagt Feng Qi, Senior Mechanical Engineer bei FZB Technology in Plymouth, MI.
FZB bietet Entwicklungs- und Forschungsdienstleistungen für die Automobilindustrie an, darunter die Entwicklung von Motoren, Sensoren, RFID Funkschlüsselsystemen sowie EHPS. Um die Komponenten ihrer EHPS zu modellieren und auszulegen nutzen die Ingenieure bei FZB häufig CAD Werkzeuge und die Comsol Multiphysics Software. Dies hilft ihnen dabei, das Verhalten des inneren Zusammenspiels der Komponenten im System zu verstehen und das Design so weit wie möglich voranzutreiben, bevor der virtuelle Prototyp in einen realen Prototypen übergeht, mit dem physische Versuche durchgeführt werden.
„Die Simulation hilft uns dabei, ein Problem genau zu verstehen, so dass wir die Vorgaben der Automobilindustrie bereits einhalten können, bevor ein physisches Modell erstellt wird“, merkt Qi an. „Wir müssen verstehen, welche Eigenschaften das System im mechanischen, thermischen, strömungstechnischen, akustischen und elektromagnetischen Bereich hat.“
Multiphysikalische Analyse der gesamten komplexen Baugruppe
Qi führt weiter aus, dass die Validierung und die physikalischen Tests sehr teuer und, mit einer Dauer von bis zu sechs Monaten, sehr zeitaufwendig sind – und selbst nach den experimentellen Versuchen muss ein erfolgreicher Prototyp weiter optimiert werden. „Diese Vorgehensweise dauert für den Entwicklungszyklus zu lang, daher nutzen wir die Simulation zur Beschleunigung des Prozesses. Wir sprechen regelmäßig mit den Ingenieuren, z. B. bei Chrysler, um unser Design mit der Comsol Software zu verbessern, bevor eine physikalische Validierung durchgeführt wird. Nur so sind wir in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen.“
Auf der Suche nach weitergehenden Einblicken in das Systemverhalten modellierte Qis Team bei FZB die maßgeblichen Komponenten ihres neuesten EHPS Designs: die Steuerungseinheit (ECU), die isolierte Halterungsklammer, den Permanentmagnetmotor, das Flüssigkeitsreservoir und die schrägverzahnte Zahnradpumpe. Jede Komponente wurde separat simuliert, darüber hinaus wurde eine multiphysikalische Analyse der gesamten komplexen Baugruppe durchgeführt. Die Baugruppen unterscheiden sich, abhängig vom Fahrzeugmodell, im Design.
Die Analyse der thermischen, mechanischen, strömungstechnischen und elektromagnetischen Eigenschaften half dem Team dabei, Probleme hinsichtlich der thermischen Leistung, der dynamischen Bewegungssteuerung, der Flüssigkeitslieferung in der Pumpe und der NVH (noise, vibration, and harshness) Eigenschaften schneller zu lösen.
Temperaturverteilung im Gesamtsystem für unterschiedliche Betriebsszenarien vorhersagen
Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Systemleistung ist die Fähigkeit, in einem sicheren Temperaturbereich zu operieren. Qi erstellte ein Modell, das den Wärmetransfer in der Pumpe und die Wärmeerzeugung in der Flüssigkeit, die das Lenkgetriebe schmiert, berücksichtigt. Das Team nutzte die Temperatur der Flüssigkeit als variable Randbedingung und war so in der Lage, die Temperaturverteilung im Gesamtsystem für unterschiedliche Betriebsszenarien vorherzusagen.
Qi erklärt, dass die Pumpe am stärksten belastet wird, wenn die Räder von einer Bordsteinkante blockiert werden, während der Fahrer versucht zu lenken. Passiert dies im realen Leben, dann liefert die Batterie des Fahrzeuges der Pumpe weiter Energie und dadurch wird – obwohl die Räder feststecken – in der ECU und im Motormagnet Wärme erzeugt.
Temperaturverteilung beeinflusst auch mechanische Komponenten
Basierend auf realen Betriebsbedingungen, die von Fahrzeugherstellern zur Verfügung gestellt wurden, konnte das Team ein Modell erstellen und simulieren, wie sich die Servoflüssigkeit in diesem Szenario verhält. Sie untersuchten darüber hinaus, wie die ECU Komponenten, wie MOSFETs und Kabelstrang, auf die Temperaturen reagieren würden, die aufgrund der Wärmeerzeugung bei blockierten Rädern entstehen. Dafür setzten sie eine Multiscale-Methode ein und begannen mit der Simulation einzelner Komponenten, die in der Folge auf Systemlevel integriert wurden. Anschließend wurden die Ergebnisse mit physikalischen Testdaten verglichen und abgestimmt. Mit dieser Analyse konnten die Ingenieure die Randbedingungen und Materialeigenschaften verändern und zahlreiche Konfigurationen verstehen.
Die Temperaturverteilung beeinflusst auch mechanische Komponenten wie Gehäuse, Stator, Rotor und Gestänge im Motor. Die Wärmeausdehnung von Metall hat Einfluss auf die Motoreffizienz, da mehr Drehmoment und Drehzahl erforderlich ist, um die benötigte Ausgangsleistung der Pumpe zu erzielen. Auch die Flüssigkeitseigenschaften wie dynamische Viskosität und Dichte ändern sich mit den Temperaturen und erfordern eine Anpassung der Getriebe, um eine weiche, konsistente Bedienung sicherzustellen.
„Dies ist eine der herausforderndsten Situationen - das Fahrzeug steht und die Pumpe muss jede Menge Extraarbeit verrichten“, sagt Qi. „Wir wollten in einem Temperaturbereich bleiben, in dem die Bauteile nicht versagen, daher modellierten wir ein Setup für extreme Situationen, um sicherzustellen, dass das System standhält und seine Leistung erbringt.“
Geometriefaktor spielt entscheidende Rolle
Qi modellierte Änderungen in der Wandstärke von Motor, Stator und Pumpe aufgrund der thermischen Ausdehnung, um zu sehen, ob die Spannungslevel die Fließspannungsgrenzen irgendeines Bauteils überschreiten würde (Bild 5). Der Stator des Motors zeigte dabei den einzigen Fall, bei dem die thermische Ausdehnung zum Versagen führen würde. Da das Team dies zu einem frühen Zeitpunkt aus den Ergebnissen der Comsol Simulation ableiten konnte, fügten sie eine zusätzliche Nut ein, so dass sich die Form, ohne weitere Probleme zu verursachen, ändern kann.
Dieser Geometriefaktor spielte eine entscheidende Rolle bei den Überlegungen zur Presspassung und des Übermaßes von Gehäuse und Stator. Da Gehäuse und Stator unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten haben, müssen das Übermaß und die geometrische Wandstärke sorgfältig gewählt werden, um sicherzustellen, dass kein Bauteil innerhalb des Temperaturbereiches versagt.
Fluid, Geräusche und Elektronik - alles spielt eine Rolle
Das Team hat des Weiteren ein elektromagnetisches Modell erstellt, um die Leistung des spiralförmigen Magneten und der schrägverzahnten Zahnradpumpe zu verschiedenen Zeitpunkten des Pumpvorganges zu analysieren. Dadurch konnten sie verstehen, wie gut der Motor über die Zeit arbeiten würde und erhielten eine genaue Schätzung des Wärmeverlustes an Spulen und Anker. Dies führte zu Geometrieänderungen, die eine gleichmäßigere Temperaturverteilung bei Komponenten und Bauteilen ermöglichen.
Das Team von FZB koppelte die elektromagnetische Simulation mit einer CFD Analyse, um zu verstehen, wie die Förderung der Flüssigkeit und die Pumpeneffizienz beeinflusst werden. Dafür nutzen die Ingenieure die Software Pump Linx, ein Programm, das für die Modellierung von Pumpen ausgelegt ist, um Fluideffizienz, Volumenstrom und Druckschwankungen zu berechnen.
Qi übertrug die Daten des Fluids in sein Comsol Multiphysics Modell, aktualisierte die Geometrie über die Solidworks Software und führte anschließend eine Akustik-Simulation durch, um die Schwingungen zu untersuchen. Eine zusätzliche Rotordynamik-Simulation half ihm dabei, die kritischen Geschwindigkeiten zu identifizieren, bei denen sich die Schwingungen enorm verstärken und einen Ausfall der Getriebe verursachen und zu ungewöhnlichen Geräuschen und geringer Effizienz führen.
„Wir mussten nicht nur verstehen, wie laut das System sein würde, wir mussten darüber hinaus wissen, wie die Eigenschaften der Elektromagnetik und des Fluids beeinflusst werden“, sagt Qi. „Es ist alles miteinander verbunden. Wir modellierten eine Druckschwankung in der Flüssigkeit und analysierten dann in COMSOL, wie sich das über die Luft übertragene Geräusch ändert. Die Ergebnisse ermöglichten es uns, die Lager, Wellen sowie die Form der schrägverzahnten Zahnräder und der Druckentlastungsnut in der Lagerbuchse der Pumpe zu optimieren.“
Freie Fahrt für verbesserte elektrohydraulische Servolenkung
Insgesamt konnte das FZB Team dank der mit Comsol erzielten Ergebnisse enorme Designverbesserungen der Pumpengeometrie erreichen. Mit den Simulationen als Grundlage haben die Ingenieure einen Bericht über Energieverbrauchsgrenzen erstellt, um den Designingenieuren eine Richtlinie zur Erfüllung der automobilen Anforderungen an die Hand zu geben. Sie untersuchten, wie verschiedene Randbedingungen Einfluss auf den Energieverbrauch und die Ausgangsleistung der Pumpe haben und überprüften die Simulationsergebnisse für verschiedene Anwendungsszenarien mit Daten aus dem physikalischen Versuch.
„Wir haben uns für Comsol entschieden, da wir sämtliche gekoppelten physikalischen Eigenschaften analysieren mussten“, fasst Qi zusammen. „Um von einem Konzept erfolgreich zu einem marktfertigen Produkt zu kommen, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden und die Zeitvorgaben im Designzyklus können sehr ambitioniert sein. Für diese disziplinübergreifende Teamarbeit haben wir ein echtes multiphysikalisches Werkzeug benötigt. Mit Comsol können sehr gut viele Bereiche der Physik gekoppelt und dabei verschiedenste Randbedingungen berücksichtigt werden. Dies ermöglicht es uns, ein genaues Bild davon zu erhalten, wie sich unser EHPS Design verhalten wird.“ (jup)
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