Leichtbau Auf die richtige Kombination kommt es an

Autor / Redakteur: Christa Friedl / Udo Schnell

Die treibende Kraft im Fahrzeugbau ist nach wie vor der Leichtbau. Auch wenn in jüngster Zeit faserverstärkte Kunststoffe stark im Gespräch sind, haben Metalle, wie Aluminium, ihren Platz in der Leichtbauwelt. Es kommt aber nicht nur auf den Werkstoff an, entscheidend ist das Wechselspiel von Werkstoff und Verarbeitung.

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Beim Umsetzen von Leichtbaukonzepten setzen die Unternehmen nicht nur auf einen Werkstoff, es geht immer um den Materialmix.
Beim Umsetzen von Leichtbaukonzepten setzen die Unternehmen nicht nur auf einen Werkstoff, es geht immer um den Materialmix.
(Bild: Reed / Behrendt & Rausch)

Im Grundsatz gilt: Alles, was fliegt, sich bewegt oder fährt, sollte so leicht wie möglich sein. Leichtbau spart Kosten, Energie und Rohstoffe, mindert Emissionen, ist außerdem eines der wichtigsten Felder für Innovationen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit zentraler Industriebranchen. Aluminium ist prädestiniert für gewichtssparende Konstruktionen. Seine Festigkeit ist zwar um den Faktor drei geringer als die von Stahl, sein Gewicht bei gleicher Steifigkeit aber nur halb so groß. Zudem ist das Metall gut umformbar und korrosionsbeständig, verfügt über exzellente Leitfähigkeit und Energieabsorption und bleibt auch bei tiefen Temperaturen geschmeidig. Nicht zuletzt ist Aluminium um rund zwei Drittel preiswerter als kohlefaserverstärkte Kunststoffe. Das schlägt sich in den Zahlen nieder. Die Aluminiumproduktion stieg nach Angaben des Branchenverbandes GDA zwischen 2010 und 2014 weltweit von 41 Mio. auf 52 Mio. t. „Der globale Verbrauch wird weiter wachsen“, prognostiziert GDA-Präsident Dr. Hinrich Mählmann. Aufgrund des „hohen Innovationspotenzials der deutschen Märkte“ werde die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Aluminium­industrie weiter zunehmen.

Gewicht und Flottenverbrauch beim E-Auto senken

Kombination von Blechen, Profilen und Gussteilen in einer Karosserie, die komplett aus Aluminium aufgebaut ist.
Kombination von Blechen, Profilen und Gussteilen in einer Karosserie, die komplett aus Aluminium aufgebaut ist.
(Bild: Hydro)

Der Fahrzeugbau ist und bleibt treibende Kraft im Leichtbau. Neufahrzeuge in der EU müssen ab dem Jahr 2020 schärfere CO2-Grenzwerte einhalten – das bedeutet einen deutlich verringerten Flottenverbrauch. Marktforscher von McKinsey schätzen, dass sich der Alu-Einsatz im Fahrzeugbau bis 2030 im Vergleich zu 2010 daher mehr als verdreifachen wird – auf knapp 17 Mio. t weltweit, das entspricht einem Plus von 6 % pro Jahr. Der Anteil des Leichtmetalls wird sich in einem durchschnittlichen Pkw von heute rund 7 % bis 2035 in etwa verdoppeln.

Um Gewicht und Flottenverbrauch weiter zu senken, entwickeln so gut wie alle Automobilhersteller derzeit mit Hochdruck emissionsfreie Elektrofahrzeuge. Allerdings haben E-Autos ein gewichtiges Problem: Trotz aller Fortschritte in Energiedichte und Materialentwicklung sind die notwendigen Batteriesysteme immer noch recht schwer und machen knapp ein Viertel des gesamten Fahrzeuggewichts aus. Um akzeptable Reichweiten zu erzielen, müssen also alle anderen Bauteile so gewichtssparend wie nur möglich sein.

Wie leicht ein Elektroauto sein kann, untersuchen Industrie und Hochschulen daher intensiv. Die Hydro Aluminium Rolled Products GmbH und die Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH (fka) Aachen haben eine Voll-Aluminiumkarosse für einen VW Golf V simuliert, die erstmals auf ein Elektrofahrzeug zugeschnitten wurde: Batteriequerträger bilden zusammen mit der Karosserie einen geschlossenen B-und-C-Säulen-Ring. Das sorgt für besonders gute Torsionssteifigkeit, der Querträger schützt die Akkumulatoren vor Schaden. Die B-Säule fügt sich aus Blechen und Profilen unterschiedlicher Legierungen, sodass sie bei einem Seitenaufprall hohe Kräfte aufnehmen kann. Auch im Vorderteil des Wagens sind untere und obere Längsträger zu einem Ring geschlossen. Außerdem kommen mehrkantige Hohlprofile zum Einsatz, die eine Energieaufnahme verbessern. Rippenstrukturen sorgen, wenn nötig, für lokale Verstärkung. Wo Bauteile gefügt werden müssen, werden sie mit hoch belastbaren Gussknoten verbunden.

Das richtige Wechselspiel von Werkstoff und Verarbeitung führt zum Erfolg

Im Fahrzeugbau ist der Leichtbau die treibende Kraft. Egal ob Kunststoff oder Metall, entscheidend ist das Wechselspiel von Werkstoff und Verarbeitung.
Im Fahrzeugbau ist der Leichtbau die treibende Kraft. Egal ob Kunststoff oder Metall, entscheidend ist das Wechselspiel von Werkstoff und Verarbeitung.
(Bild: Hydro)

Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Wechselspiel von Werkstoff und Verarbeitung. Das Umformpotenzial des Leichtmetalls wird nicht durch exotische Beimischungen erschlossen, sondern durch die optimale Abstimmung von Alu-Legierung und Prozess. „Dadurch gelingt es, mit wenigen bekannten Legierungen unterschiedliche Funktionen der Bauteile zu realisieren“, erläutert Dr. Henk-Jan Brinkman, Programmleiter Automobil in der Forschungsabteilung von Hydro. Durch Verzicht auf neue Rezepturen bleibt nicht zuletzt die exzellente Recyclingfähigkeit des Werkstoffs und damit des Altfahrzeugs erhalten.

Die Ergebnisse des Projekts können sich sehen lassen: Das Gesamtgewicht wurde von 314 auf 199 kg gesenkt – eine Einsparung von 36 %. Jedes Kilo weniger erhöht direkt die elektrische Reichweite des Fahrzeugs. „Der Gewinn durch Leichtbau ist also bei der Elektromobilität weit größer als im normalen Fahrzeugbau“, so Brinkman. Die simulierten Belastungs- und Crashtests zeigen laut Hydro, dass die Vollalu-­Karosse alle gültigen Sicherheitsanforderungen erfüllt und zu „vertretbaren Kosten“ in Serie gebaut werden kann.

Mit gewichtssparenden Elektroautos beschäftigt sich auch das Verbundprojekt Smile, eines der Leuchtturmprojekte der Bundesregierung im Bereich Elektromobilität. Dabei untersucht ein Konsortium von Automobilherstellern, Zulieferern und Forschungseinrichtungen seit 2014 nicht nur das Potenzial von Aluminium, sondern von Multimaterial-Konstruktionen. „Es führt kein Weg daran vorbei, Fahrzeuge künftig so zu konstruieren, dass ganz unterschiedliche Werkstoffe ihre jeweiligen Vorteile ausspielen“, ist Dr. Christoph Deiser vom Projektträger FZ Jülich überzeugt.

Im Rahmen von Smile wollen die Beteiligten – angelehnt an den BMW i3 – eine Mischbau-Karosseriestruktur entwickeln, die wesentlich aus den Leichtmetallen Aluminium und Magnesium und aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK) besteht. Zu den besonders kniffligen Fragen dabei gehört das Feld der hybriden Fügetechniken, um Leichtmetalle und FVK sicher zu verbinden. Auch die Erarbeitung geeigneter Lackierverfahren für Multimaterial-­Substrate ist eine der Herausforderungen. Sowohl für die Verbindungstechnik als auch für die Lackierung gilt: Die neuen Prozesse müssen in einem perfekt eingestellten Temperaturbereich liegen, um die Eigenschaften der unterschiedlichen Materialien nicht negativ zu beeinträchtigen. Für die eingesetzten Aluminiumwerkstoffe soll deshalb ein angepasstes Prozessfenster im Niedertemperatur-KTL und -Lackbereich erarbeitet werden.

Sicherheit ist auch beim Leichtbau oberste Prämisse. Beim Aluminium geht der Trend daher hin zu hochfesten und dennoch duktilen und damit crashfähigen Legierungen. Als besonders crashfähig gelten auch Aluminiumschäume – ihre poröse Struktur absorbiert die hohe kinetische Energie bei Vibrationen oder Aufprall besonders gut. Moderne Aluschäume haben zwar heute eine Dichte kleiner 0,5 g/cm3. Allerdings können die mechanischen Eigenschaften des Bauteils durch die inhomogene Verteilung der Poren unterschiedlich sein. Zudem ist die Verbindung mit Blechen oder anderen Materialien keineswegs banal, was ihren Einsatz bislang bremst. Ein weiterer Trend: Gussprodukte haben in den letzten Jahren ihren Anteil deutlich erhöht, weil sich mit Gussliegerungen auch komplizierte Formen und multifunktionale Komponenten poren- und lunkerfrei herstellen lassen.

Neue Metallhybride bieten viel Potenzial

Das Konstruktionsprinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ ist mittlerweile auch in anderen Branchen angekommen. Der Verzicht auf alle passiven oder nicht tragenden Teile spielt beispielsweise im Maschinen- und Anlagenbau eine wachsende Rolle. Wenn bewegte Komponenten so gewichtssparend wie möglich ausgelegt werden, erfordert die geringere Masse kleinere Antriebe und geringere Kräfte. Wie auch im Fahrzeugbau sehen viele vor allem Potenzial in neuen Materialhybriden. Hochdämpfende Verbundwerkstoffe können Bearbeitungsgenauigkeit, Bearbeitungsgeschwindigkeit und Lebensdauer erhöhen und den Werkzeugverschleiß mindern.

Ein Umfrage bei über 1500 Betrieben des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland hat ergeben, dass 31 % der befragten Unternehmen Leichtmetalle bearbeiten. Rund jeder dritte Maschinen- oder Anlagenbauer setzt also entsprechende Verfahren ein. „Das zeigt, dass bereits heute mit Leichtbau Geld umgesetzt wird“, schreiben die Autoren einer Studie der Leichtbau BW GmbH. Auch wenn sich die Wertschöpfung mit Leichtbau im Maschinenbau nicht exakt beziffern lässt: Es gibt noch Luft nach oben. Insbesondere KMU haben zwar ihre Aktivitäten intensiviert, konstatiert die Leichtbau BW GmbH, dennoch seien viele noch nicht ausreichend über Leichtbaulösungen informiert. MM

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