Grundlagen Auf der Suche nach der perfekten Dichtung

Redakteur: M.A. Bernhard Richter

Dichtungen sind wichtige Bauteile in technischen Produkten. Dichtigkeit ist die integrale Eigenschaft neben Reibungsarmut und Robustheit. Gibt es die perfekte Dichtung?

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Nach undicht kommt kaputt – Oft reicht schon eine winzige Undichtigkeit im System zum Komplettausfall.
Nach undicht kommt kaputt – Oft reicht schon eine winzige Undichtigkeit im System zum Komplettausfall.
(Bild: Leaky pipe / kris krüg/Leaky pipe / BY-SA 2.0)

Dichtungen sind höchst empfindliche Elemente und sitzen immer an den kritischen Stellen, an den Trennfugen der Maschinenteile. Sie sind eine der am weitesten differenzierten Klasse der Konstruktionsbauteile – für praktisch alle technischen Gebilde – von Autos genauso wie von Küchenmaschinen, Flugzeugen, verfahrenstechnischen Anlagen oder Kraftwerken. Es gibt praktisch kein technisches Produkt, das ohne Dichtung auskommt. Allein in einer einfachen Pumpe gibt es über 20 Dichtstellen. Aus diesem Grund sollte eine Dichtung idealerweise dicht, reibungslos und unzerstörbar sein. Da die Erfüllung dieser Vorgaben allein aus physikalischen Gründen nicht möglich ist, müssen bei der Gestaltung bestimmte Faktoren berücksichtigt werden.

Einfach dicht?

Bei der berührenden Abdichtung eines Maschinenteils wird in der Regel ein in sich dichter Dichtkörper durch eine Anlegekraft so an seine Gegendichtflächen angepresst, dass die Dichtstelle statisch dicht ist. Zwischen den Dichtflächen finden sich zwei Pressungsverteilungen: Eine makroskopische aufgrund der geometrischen Form der Dichtflächen und eine mikroskopische aufgrund der Rauheit der Dichtflächen. Für Dichtheit müssen lediglich zwei Bedingungen erfüllt sein:

Die Anlegekraft muss mindestens so groß sein wie der Druck des abzudichtenden Fluides – sonst können die Dichtflächen hydrostatisch getrennt werden.

Es muss eine geschlossene Linie am gesamten Umfang innerhalb der Dichtfläche geben, auf der die örtliche Pressung sitzt. Ist dies beispielsweise bei einer 10 m langen O-Ring-Dichtung auf nur einem Bruchteil eines Millimeters nicht der Fall, spritzt oder sickert bei Druckaufgabe sofort genau an dieser Stelle das Betriebsfluid durch .

Für gute Dichtheit kommt es nicht auf die Breite der Dichtfläche und nicht auf die Anlege- bzw. Anpresskraft an. Entscheidend ist eine ausreichende Pressung an jeder Stelle des Umfangs – dabei kann die Spur der Dichtung beliebig schmal sein. Dies kann bei der Konstruktion hilfreich sein.

Spezialfall Radialwellendichtung

Bewegt sich bei bewegten Maschinenteilen nun eine der Dichtflächen genügend schnell, so bildet sich zwischen den Dichtflächen dynamisch ein fluidgefüllter Dichtspalt. Dies ist zwingend notwendig, um Verschleiß und Erwärmung und damit die Lebensdauer in ertragbaren Grenzen zu halten. Diese dynamisch entstehenden Dichtspalten sind sehr klein. Typisch ist eine mittlere Fluidfilmdicke von weniger als einem Mikrometer. Bei gut schmierender Flüssigkeit, optimaler Umspülung und geeignetem Werkstoff sind Radialwellendichtugen bis 35 m/s Gleitgeschwindigkeit einsetzbar. Die Dichtwirkung basiert auf einem elasto-hydrodynamischen Rückfördereffekt. Dieser beruht auf den beiden unterschiedlichen Dichtkantenwinkeln und und einem charakteristischen Berührflächenverschleiß. Die abzudichtende Flüssigkeit muss immer auf der Seite mit dem größeren Dichtkantenwinkel sein. Wird auf der Seite mit dem kleineren Dichtkantenwinkel Flüssigkeit angeboten, so wird diese auf die Seite mit dem großen Dichtkantenwinkel gepumpt. Radial-Wellendichtringe sind also aktive Dichtelemente und können deshalb leckagefrei abdichten.

Die Dichtwirkung wird durch die Konstruktion der Dichtung, die Geometrie des Einbauraums, die Werkstoffeigenschaften, die Betriebsgrößen und nicht zuletzt durch das abzudichtende Medium beeinflußt. Sie geht jedoch während des Betriebs der Geräte allmählich infolge der allmählichen Abnutzung oder spontan aufgrund hoher Belastungen verloren. Dieser Schädigungsvorgang, in dessen Verlauf sich die Konstruktionsparameter der Dichtung und ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften ändern, ist vor allem durch Verschleiß, Alterung, Ermüdung und Strömungserosion gekennzeichnet, aber auch eine Überbeanspruchung führt häufig zur Zerstörung von Dichtungen.

Ideal abdichten

Absolute Dichtheit im physikalischen Sinne gibt es nicht – Eine Dichtung ist immer ein Kompromiss verschiedener Eigenschaften, die sich gegeneinander ausspielen. Wohl aber gibt es Dichtungen, die ihrem Einsatzzweck nach ideal konstruiert worden sind. Es liegt in der Leistung des Konstrukteurs, die Dichtung so zu entwerfen, dass sie dort, wo sie eingesetzt werden muss, dicht ist. Oder was man im konkreten Anwendungsfall als ausreichend dicht verstehen will. (br)

Dieser Artikel basiert auf dem „Grundlehrgang Dichtungstechnik“ von Prof. Dr.-Ing. W. Haas vom Institut für Maschinenelemente des Bereichs Dichtungstechnik der Universität Stuttgart und kannhierkomplett eingesehen werden.

Bild: kris krüg/Leaky pipe unter CC BY-SA 2.0

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