Homeoffice Arbeit im Homeoffice besser einschätzen und nutzen
Für die Arbeit im Homeoffice hat die Fern-Universität in Hagen eine laufende Studie erweitert und ausgewertet. Was können Beschäftigte selbst tun, um mit der Situation besser umzugehen?
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Die durch die Corona-Krise rasant und für viele längerfristig veränderten Arbeitsbedingungen stellen hohe Anforderungen an Organisationstalent, Flexibilität und Psyche der Beschäftigten.
Der Leiter des Lehrgebietes Arbeits- und Organisationspsychologie Prof. Jan Dettmers von der Fern-Universität in Hagen konnte im März kurzfristig eine bereits längere Zeit laufende Längsschnittstudie erweitern, um aktuelle Daten zur Arbeit im Homeoffice zu erhalten. Dabei ging es um Fragen wie
- „Wie wirken sich die veränderten Rahmenbedingungen auf die Psyche von Beschäftigten aus, die ohne ausreichende organisatorische und technische Vorbereitung ins kalte ‚Homeoffice-Wasser‘ geworfen wurden?
- Welche Beschäftigtentypen kommen damit gut zurecht?
- Wie beeinflusst das die Beschäftigten?
- Was können sie selbst tun, um mit der Situation besser umzugehen?“
Die meisten sind relativ zufrieden
Interessant ist, wie die nochmals befragten Teilnehmenden der Studie ihre eigene Produktivität im Homeoffice einschätzen, verglichen mit der Tätigkeit im Büro: 17 % sehen sie als gleich hoch an, 28 % gehen von 90 % ihrer ursprünglichen Leistung aus, 13,5 % meinen, dass sie weniger als 50 % leisten. Die meisten – 77 % – sind relativ zufrieden mit dieser Form der Arbeit, eher zufrieden sind 50 %.
Für die meisten passt auch ihre technische Ausstattung, doch gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Koordination von Arbeit und Familienleben: „Das müssen wir noch genauer untersuchen“, so Dettmers.
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Entscheidungsfreiheit nimmt immer mehr zu
Wer sich selbst gut organisieren und trotz Ablenkungen gut konzentrieren kann, kommt mit den veränderten Verhältnissen eher zurecht. Diese „Arbeitsgestaltungskompetenz“ wird allerdings auch bei den bisherigen Verhältnissen immer wichtiger: „Allgemein – nicht nur im Homeoffice – nimmt die Entscheidungsfreiheit der Beschäftigten immer mehr zu, es gibt weniger Vorgaben ,von oben‘“, so Dettmers.
Daher müssen die Beschäftigten selbst entscheiden, was sie wann tun. Wichtig ist dabei im Auge zu behalten, wann ihre Kollegen bestimmte Informationen und Ergebnisse brauchen – und wann man selbst welche von diesen benötigt.
Für ihre Selbstorganisation sollten die Beschäftigten erkennen können, wann sie aufgrund ihrer eigenen Eigenschaften welche Aufgaben erledigen. Wenn sie zur Mittagszeit müde und unkonzentriert sind, sollten sie einfache und Routineaufgaben erledigen und nicht über hochkomplexe Probleme nachdenken.
Wechsel zwischen Routine- und komplexen Aufgaben
Der sinnvolle Wechsel zwischen Routine- und komplexen Aufgaben ist wichtig. Genauso wie zu erkennen, wie man im Rahmen der Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen seine Arbeitszeiten festlegen (und einhalten) sollte, wann man eine Pause macht etc.
Die Beschäftigten müssen ebenfalls erkennen, welche Qualität ihre Arbeitsergebnisse haben müssen und welcher Aufwand dafür notwendig ist: „Im Homeoffice wird es immer wichtiger, produktiv und nachhaltig zu arbeiten und sich gleichzeitig nicht selbst zu erschöpfen.“
Um das hinzubekommen rät der Wissenschaftler, seine Arbeit zu planen, z.B. morgens zu Beginn und zwischendurch, etwa nach der Mittagspause: Was soll ich wann tun? Was muss wann fertig sein? Am sinnvollsten ist es, einen individuellen Mittelweg zwischen starrem System und höchster Flexibilität zu finden. Dafür ist es wichtig, die Dringlichkeit der Aufgaben zu erkennen.
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Ansprüche der Familie beachten
Auf der anderen Seite ist da noch der Partner, vielleicht auch Kinder. Denn auch die Familie hat ihre berechtigten Bedürfnisse, und die Wohnverhältnisse spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Beeinträchtigend für die psychische Gesundheit wird es z.B., wenn dauerhaft abends arbeitsbezogene Dinge unerledigt bleiben und Teilschritte nicht abgeschlossen werden können. Denn dann grübelt man oft weiter über die Themen des Arbeitstages.
Man sollte also einerseits Dinge abschließen, andererseits aber auch die Arbeitszeiten einigermaßen einhalten. Mal ein bisschen länger als vertraglich festgelegt zu arbeiten, um eine (Teil-)Aufgabe abzuschließen ist kein Problem, weil man dann wirklich „abschalten“ und sich besser wohlfühlen kann. Man muss aber auch die Mehrarbeit an den nächsten Tagen wieder ausgleichen können.
Strukturen schaffen und beachten
Gegen Überlastung können Strukturen wie feste Arbeitszeiten und private Auszeiten helfen, denn im Homeoffice besteht eher Ablenkungsgefahr als am eigentlichen Arbeitsplatz: Kinder und die Abstimmung mit dem Partner stellen besondere Anforderungen. Die Konzentration ist in gemeinsam genutzten Räumen schwerer aufrechtzuerhalten. Daher ist es wichtig, verbindlich zu vereinbaren, wer wann wofür zuständig ist – für die Betreuung der Kinder und das Spielen mit ihnen, für die Hausarbeit, für die eigene Berufstätigkeit.
Es muss also auch Zeiten geben, die man für sich selbst reserviert, in denen man sich voll auf seine Arbeit konzentrieren kann. Diese Abgrenzung sollte auch für den benutzten Raum gelten.
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„Virtuelle Teeküche“ für die allgemeine Arbeitszufriedenheit
Für die allgemeine Arbeitszufriedenheit ist auch der informelle Austausch, also abseits des Fachlichen, wichtig. Selbst wenn dabei jetzt die Spontanität oft fehlt. Dies kann durch permanent geöffnete Plattformen abgefedert werden, in denen man sich zwanglos wie in einer „virtuellen Teeküche“ – so eine der Bezeichnungen – treffen kann: Hier kann man zusätzliches Feedback von Vorgesetzten und Kollegen erhalten.
Im Übrigen sollte man sich nicht scheuen, Führungskräfte und Kollegen auch bei kleineren Problemen anzusprechen. Zudem sollten sich insbesondere die Führungskräfte dafür einsetzen, auch für weniger wichtige Themen Plattformen und Chats einzurichten und zu nutzen.
Motivieren kann man sich aber auch mit ein paar ganz einfachen Mitteln, die nicht nur für die Arbeit am angestammten Arbeitsplatz, sondern auch im Homeoffice wirken. Wichtig sind z.B. kleine Belohnungen – also einmal in den Kühlschrank zu greifen, eine Pause zu machen, einen Kaffee zu trinken – wenn man eine Sache abgeschlossen hat.
Laufende Studie erweitert
Grundlage für die ersten neuen Erkenntnisse von Prof. Dettmers ist eine Studie, in der rund 1100 Beschäftigte allgemein zu psychologischen Belastungen durch ihre normale Arbeitssituation befragt worden waren. Daraus lagen bereits viele Daten vor. Ende März befragte er dann ergänzend 838 der Teilnehmenden nochmals – nur Personen, die wirklich weiterarbeiten.
Von ihnen sind 32,2 % jetzt ausschließlich im Homeoffice tätig, 13 % an zwei bis vier Tagen, 46 % noch im Büro. „Dann habe ich mir diejenigen angeschaut, die jetzt im Homeoffice arbeiten und wie sie das belastet“, erläutert er. Fast zwei Drittel hatten vorher noch keine Homeoffice-Praxis. „Wir haben z.B. verglichen, welche Unterschiede es macht, ob man entsprechende Erfahrung hat oder nicht.“
Dettmers betont jedoch, dass die gewonnenen Daten noch intensiver ausgewertet werden müssen, als dies kurzfristig möglich war. Das gilt auch für die tatsächlichen Rahmenbedingungen: Was macht Arbeiten zuhause erfolgreich und was nicht?
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind bereits in Ratschläge der Verwaltung der Fern-Universität für Beschäftigte eingeflossen, die zurzeit im Homeoffice arbeiten. Sie wurden für Fern-Uni-Beschäftigte erarbeitet, stehen aber auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.
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