Edelstahl Anwendungsbezogene Edelstahlentwicklung für Granulieranlagen
Die Deutschen Edelstahlwerke haben mit Nikrodur eine exklusive Werkstofflösung für die Lochplatte von Unterwassergranulieranlagen entwickelt.
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Der Spritzguss ist eines der gängigsten Verfahren zur Herstellung von Kunststoffprodukten. Die Branche boomt weltweit, entsprechend hoch ist der Absatz des Rohstoffs. Bis zu 100 t thermoplastisches Kunststoffgranulat werden pro Stunde in großen Unterwassergranulieranlagen produziert, deren Herzstück die Lochplatte ist. Sie enthält zahlreiche Bohrungen, durch die die Kunststoffschmelze hindurchgedrückt wird, um dann von auf der Platte rotierenden Messern auf die gewünschte Länge geschnitten zu werden. Gemeinsam mit ihren Kunden Coperion und Gala Industries haben die Deutschen Edelstahlwerke (DEW), ein Unternehmen der Schmolz + Bickenbach Gruppe, einen Werkstoff für die Lochplatten entwickelt, mit dem sich die Standzeiten der Anlagen mehr als verdoppeln lassen: den neuen Nikrodur. Eine Erfolgsgeschichte, durch die der Hersteller von Spezialstahl eine seiner Kernkompetenzen erneut unter Beweis stellt: „Als technischer Partner gemeinsam mit den Kunden eine Produktidee bis zur Serienreife bringen – das ist unsere Stärke. Sie ist die Basis für die Innovationskraft unseres Unternehmens und unser Beitrag zum Erfolg unserer Kunden“, fasst Dr. Horst Hill, Spezialist für Entwicklung, technische Kundenbetreuung und Qualitätswesen im Bereich Sonderwerkstoffe, zusammen.
Standzeiten um 50 Prozent erhöhen
Bereits im Jahr 2008 begann die gemeinsame Entwicklungsarbeit an einem Werkstoff, der von Anfang an kundenspezifisch für die Anwendung Unterwassergranulierung konzipiert und optimiert wurde. „Gemeinsam mit unseren Kunden Coperion und Gala Industries haben wir ein ganz konkretes Anforderungsprofil für den Werkstoff erstellt, beispielsweise hinsichtlich der optimalen Verschleiß- und Korrosionseigenschaften sowie der Wärmeleitfähigkeit des Materials. Ziel war es, die Standzeiten der Anlagen um ca. 50 % zu erhöhen“, so Dr. Horst Hill. Seit über 30 Jahren arbeiten die DEW eng mit der Coperion GmbH zusammen, einem weltweit führenden Technologieunternehmen in den Bereichen Compoundier- und Dosiersysteme, Schüttgutanlagen und Services. „Wir verwenden als Verschleißschutz für die Lochscheiben sowohl Hartmetalle als auch den bewährten Sonderwerkstoff Ferro-Titanit der DEW. 2008 waren wir auf der Suche nach einem neuen Werkstoff, der die Vorteile von Hartmetallen und Ferro-Titanit vereint und es uns so ermöglicht, neue Maßstäbe im Bereich Unterwassergranulieranlagen zu setzen. Mit den Deutschen Edelstahlwerken hatten wir schnell einen passenden Entwicklungspartner gefunden“, berichtet Jürgen Bartl, Product Manager Downstream Equipment bei Coperion, von den Anfängen des gemeinsamen Projekts.
Materialeigenschaften verbessern
Die Spezialisten der DEW führten daraufhin zahlreiche Werkstoffsimulationen im Labor durch. „Ausgehend von den Ferro-Titanit-Werkstoffen arbeiteten wir daran, alle drei Kerneigenschaften des Materials für diese Art von Lochplatten signifikant zu verbessern – also eine möglichst hohe Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit sowie eine Reduzierung der Wärmeleitfähigkeit zu erreichen“, so DEW-Spezialist Dr. Hill. Nur wenn diese Eigenschaften optimal zusammenspielen, erhöhen sich auch die Standzeiten der Lochplatten, die unter extremen Bedingungen zum Einsatz kommen. Sie trennen den weichen Kunststoffstrom in einzelne Stränge auf, die Messer schneiden diese dann zu Granulaten. Wasser kühlt den Kunststoff zum einen, macht ihn schneidfähig und verhindert vor allem das Zusammenkleben der einzelnen Granulate. Zum anderen transportiert es die Granulatkügelchen ab. Die Schnittkanten der Messer, Wasser sowie mögliche Säure- und Chloridverbindungen im Kunststoff könnten die Oberfläche der Lochplatte angreifen und die Bohrlöcher abstumpfen lassen, so dass nach einiger Zeit kein sauberer Schnitt mehr möglich wäre, wenn das verwendete Schutzmaterial nicht die entsprechenden Eigenschaften besäße.
Hinzu kommt ein starkes Temperaturgefälle. Je nach Polymersorte herrschen an der Lochplatte bis zu 350 Grad Celsius. Die sind nötig, damit das Polymer weich bleibt und sich durch die Lochplatte drücken lässt. Das Wasser zur Abkühlung und zum Abtransport des Kunststoffes ist jedoch nur rund 20 bis 30 Grad Celsius warm. Je weniger Wärme also durch die Lochplatte selbst abgeleitet wird, umso geringer ist die Gefahr, dass das Polymer in den Bohrlöchern einfriert und den gesamten Prozess zum Erliegen bringt.
Laborversuche erfolgreich beendet
„Tatsächlich bestätigten unsere Werkstoffsimulationen und Laborversuche, dass wir einen Werkstoff herstellen können, der im Vergleich zum Standard-Ferro-Titanit bei dieser Anwendung eine um 50 % bessere Verschleißbeständigkeit, eine über ein Drittel höhere Korrosionsbeständigkeit und eine um ein Fünftel niedrigere Wärmeleitfähigkeit besitzt“, so Dr. Hill. Die Werkstoffexperten führten ausgewählte Versuchsschmelzen auf Labormaß durch und stellten schließlich das Material im Industriemaßstab her. Bis dahin hielt das Material, was es versprochen hatte – jetzt sollte es sich auch in der Praxis bewähren. „Wir haben das Material bewusst zwei Entwicklungspartnern zum Test angeboten, die Unterwassergranulieranlagen bzw. Lochplatten in jeweils unterschiedlichen Abmessungen herstellen“, erzählt Dr. Hill.
Coperion mit Sitz in Stuttgart stellt jährlich etwa rund 15 Großgranulieranlagen her und bezieht Ferro-Titanit als Platten, aus denen jeweils ein Verschleißschutzsegment herausgeschnitten wird. Mehrere dieser Verschleißschutzsegmente werden dann in den Lochplattenkörper eingepasst und durch einen thermischen Prozess miteinander verbunden. „Schon bei der Optimierung dieses Prozesses entsprechend unseren Bedürfnissen hatten wir mit den DEW immer einen kompetenten, technischen Ansprechpartner“, blickt Produktmanager Jürgen Bartl zurück.
Betriebsnahe Testphase
Die Testphase für den neuen Werkstoff begann für Coperion 2013 damit, bei den eigenen Kunden noch zusätzliche Korrosionsversuche unter betriebsnahen Bedingungen sowie verschiedene Fertigungsversuche durchzuführen. „Die Versuche bestätigten, dass das neue Material auch in der Verarbeitung genauso überzeugte wie die bewährten Materialtypen. Der Herstellung eines Prototyps stand damit nichts mehr im Wege“, erzählt Bartl. Dieser ist speziell an die Bedürfnisse eines Kunden von Coperion angepasst worden und dort seit 2014 im Einsatz. Sowohl der Kunde als auch Coperion selbst überprüfte ca. ein Jahr lang regelmäßig die Performance des Prototyps. 2016 sprach nichts mehr gegen eine Serienfertigung mit Material aus Nikrodur.
Wie Coperion erhält Gala Industries Nikrodur ebenfalls exklusiv für die Lochplattenherstellung. Die Amerikaner starteten bereits 2015 sehr erfolgreich mit der Serienfertigung.
Bei dieser Erfolgsgeschichte ist es natürlich keine Frage, dass die Deutschen Edelstahlwerke ihre Werkstoffentwicklung jetzt auch zum Patent angemeldet haben. (qui)
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