Additive Fertigung Tipps zum Konstruieren für den 3D-Metalldruck

Von Juliana Pfeiffer Lesedauer: 6 min |

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Mit der additive Fertigung können Konstrukteure ihre Entwicklungszeiten verkürzen. Kleinere Stückzahlen können finanziell sinnvoll realisiert werden und die Möglichkeiten der Funktionsintegration steigen. Doch wie sieht eine fertigungsgerechte Konstruktion in der additiven Fertigung aus?

In ihrem Praxis-Training spielen die Referenten anhand mehrer Beispiele (hier abgebildet: Frontplatte)  die typischen Fragestellungen im CAD-System durch. Im dargestellten Zustand ist das Bauteil noch nicht für die additiven Verfahren optimiert.
In ihrem Praxis-Training spielen die Referenten anhand mehrer Beispiele (hier abgebildet: Frontplatte) die typischen Fragestellungen im CAD-System durch. Im dargestellten Zustand ist das Bauteil noch nicht für die additiven Verfahren optimiert.
(Bild: 3D-Metall-Theobald)

Immer mehr Unternehmen entdecken die additive Fertigung aus Metall für ihre Produktentwicklung: ob zur Fertigung von Prototypen und Ersatzteilen, aber auch für Kleinserien. Der wirtschaftliche Einsatz des 3D-Metalldrucks scheitert aber oft an den fehlenden Erfahrungen mit der neuen Technik. Doch warum ist das so? Schließlich gibt es die Verfahren der Additiven Fertigung schon seit Mitte der 80er-Jahre. „Bei der Fertigung mit additiven Verfahren findet ein Paradigmenwechsel statt“, betont Hans-Werner Theobald, Geschäftsführer der 3D-Metall-Theobald e.K., ein Leipziger Dienstleister für die additive Fertigung aus Metall.

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Das Buch "Additive Fertigung" beschreibt Grundlagen und praxisorientierte Methoden für den Einsatz der additiven Fertigung in der Industrie und unterstützt Konstrukteure und Entwickler dabei, additive Verfahren erfolgreich in ihren Unternehmen zu implementieren.

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Ausgangspunkt bei der additiven Fertigung ist nicht ein bestimmter Körper oder ein Halbzeug, aus dem Stück für Stück die Funktionselemente „herausgeschält“ werden, wie in der Zerspanung. Im Metallbereich wird Pulver oder auch Draht aufgeschmolzen, um daraus einen Körper zu erstellen. „Der Paradigmenwechsel lässt sich in wenigen Worten beschreiben, aber die Konsequenzen sind vielfältig und werden häufig nicht bedacht“, beschreibt Theobald. So fragen Einsteiger bei seinem Unternehmen oft Werkstücke an, die aus traditioneller Sicht leicht zu fertigen sind – oft reichen hier wenige Fräsoperationen. „Aus der Perspektive der additiven Fertigung sind das aber Werkstücke, die meist sehr teuer werden, da sie ein großes Volumen haben“, weiß Theobald aus Erfahrung.

Falsche Erwartungen bei Konstrukteuren gegenüber additiver Fertigung

Auf der anderen Seite werde die additive Fertigung häufig mit dem Etikett „Alles ist möglich“ versehen. Das führt bei den Konstrukteuren zu falschen Erwartungen. Sie denken, dass eine fertigungsgerechte Konstruktion nicht mehr notwendig ist. „Die additive Fertigung bietet größere Freiheiten in der Gestaltung, aber auch hier sind bestimmte Regeln zu beachten. Das gilt beispielsweise für die geplante Ausrichtung der Werkstücke im Bauraum oder die Gestaltung von Hinterschnitten und Kanälen“, sagt Theobald.

Drei Punkte, um ein Umdenken in den Köpfen der Konstrukteure zu unterstützen

Damit die additive Fertigung ihre Vorteile voll ausspielen kann, muss mit den Vorurteilen gegenüber dieser Technologie gebrochen werden. Hans-Werner Theobald hat drei Punkte zusammengefasst, wie additiv gerechtes Denken funktionieren kann:

  • Es entsteht oft ein falscher erster Eindruck. Viele Beispiele, die zum Thema auf den Messen gezeigt werden, sind Topologieoptimiert oder Varianten, die mittels generativem Design erzeugt wurden. Das ist hübsch anzuschauen und für manche Branchen vielleicht auch state of the art, aber ein Sondermaschinenbauer wird wahrscheinlich nicht erkennen können, ob sich eine Lösung für seine Probleme dahinter verbirgt. Dazu sind die Werkstücke zu weit von der industriellen Praxis entfernt. Wir in der 3D-Druck-Industrie müssen also Anwendungsbeispiele erstellen und zeigen, die zur Lösung der alltäglichen Aufgabenstellungen beitragen.
  • Die additive Fertigung ist eine Technologie, die erklärt werden muss. D.h. die Konstrukteure müssen für die additiven Fertigungsverfahren ausgebildet werden. Aber bitte nicht in dem im Allgemeinen über alle additiven Fertigungstechniken einmal „drübergebügelt“ wird, sondern in dem im Detail auf die Verfahren eingegangen wird. DED (direkt energy deposition) funktioniert z.B. komplett anders als PBF (powder bed fusion). Wichtig ist, dass dieser Weiterbildungsbedarf in den Unternehmen erkannt wird.
  • Allerdings ist es auch nicht zu kompliziert. Wenn ein Werkstück gefertigt werden soll, das klein und/oder filigran ist, an dem viel zerspant, das aus vielen Einzelteilen zusammen gelötet werden soll und das deshalb teuer und schwer zu beschaffen ist, weil es eben nur in geringen Stückzahlen benötigt wird, dann sollte man einfach mal ausloten, ob dieses effizient und kostengünstig mittels additiver Fertigungsverfahren herstellbar ist.

Additivgerecht konstruieren: Ausrichtung im Bauraum beachten

Doch wie sieht eine fertigungsgerechte Konstruktion in der additiven Fertigung aus? „Das kommt sehr auf das Werkstück und das verwendete additive Fertigungsverfahren an“, sagt Theobald. Für das additive Fertigungsverfahren Laser-Powder-Bed-Fusion eignen sich eher kleine Teile. „Die Ausrichtung im Bauraum ist zu beachten, denn sie hat Einfluss auf die notwendigen Stützstrukturen und die Nachbearbeitung des Bauteils“, betont der Experte.

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Die einfachste Lösung, um Stützstrukturen zu vermeiden ist, die Ausrichtung des Werkstückes im Bauraum zu optimieren. „Und das soweit, dass die Stützen weitgehend entfallen, ohne dass an anderer Stelle neue Flächen gestützt werden müssen. Dies gelingt, indem beispielsweise eine Bohrung im Bauraum senkrecht gestellt wird“, rät Theobald.

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Ist dies nicht möglich, dann sollte geprüft werden, ob die Form des Funktionselementes so geändert werden kann, dass die Stützen entfallen. „Hierfür kann eine Bohrung statt rund in Tropfenform ausgeführt werden“ gibt der Experte den Tipp. Eine andere Alternative wäre die Stützstrukturen so auszuführen, dass sie im Bauteil verbleiben können, beispielsweise in Form einer Gitterstruktur, die durchströmt werden kann. Andererseits empfiehlt sich auch eine zerspanende Nachbearbeitung. „Hier müssen die Strukturen mit den entsprechenden Werkzeugen erreichbar sein“, rät der Experte. Bei gebogenen Kanälen kann die Grenze der Herstellbarkeit überschritten werden. So existieren zwar auch elektrochemische Verfahren, um die Stützstrukturen auszuwaschen, allerdings finden diese bei Einzelstücken oder Kleinserien eher selten Anwendung. Die Ausrichtung des Werkstückes im Bauraum habe noch weitere Einflüsse, beispielsweise auf die Festigkeit, den Verzug oder die erreichbare Oberflächengüte.

Praxis-Training vermittelt Konstrukteuren Knohow für den 3D-Metalldruck

Um Konstrukteure in die fertigungsgerechte Gestaltung im 3D-Druck einzuführen, bietet das Unternehmen 3D-Metall-Theobald zusammen mit dem CAD-Trainer und Konstrukteur Sven Herbst ein Praxis-Training zur Additiven Fertigung in Metall an. Dieses bietet einen Einstieg in die praktische, additive Fertigung des Powder-Bed-Fusion und zeigt Überschneidungen zu anderen additiven Fertigungsverfahren auf. Ausgehend von einem klassisch, konstruierten Bauteil werden Werkzeuge geschildert, die auf dem Weg zu einer fertigungsgerechten Gestaltung nützlich sind. Zum Seminar

Expertentipp: Kleine und komplizierte Werkstücke wählen

Grundsätzlich sollte jede Konstruktion möglichst flexibel, z.B. bezogen auf minimale Wandstärken, aufgebaut sein. Damit Änderungen leichter umsetzbar sind. Dabei sind die notwendigen Vorkenntnisse abhängig vom Ziel, das erreicht werden soll. „Wenn es darum geht ein Werkstück zu fertigen, das sonst in kurzer Zeit nicht verfügbar wäre, dann sind die Einstiegshürden gering. Wichtig ist an der Stelle die Auswahl der Werkstücke“, empfiehlt Theobald. So sollten eher kleine und komplizierte Werkstücke gewählt werden. Weiterhin ist die Offenheit des Kunden, sich auf das Feedback des Produzenten einzulassen und falls nötig kleinere Anpassungen am Werkstück vorzunehmen, vorteilhaft. Der Nutzen der additiven Fertigung besteht dann allerdings vor allem darin schnell ein Werkstück herstellen zu können.

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„Gewinnt der Kunde auf diesem Weg Vertrauen und möchte einen größeren Nutzen aus der Technologie ziehen, dann ist in der Konstruktionsphase die Ausrichtung im Bauraum zu berücksichtigen“, sagt Theobald. Hierbei sollten Kanäle und Hinterschnitte so angepasst werden, dass sie stützenfrei zu bauen sind. „Das Bauteilvolumen ist zu reduzieren, um Kosten zu sparen. Überlegungen, ob Arbeitsschritte, die bisher nachgelagert waren, in das Teil integriert werden können, sind vorteilhaft“, so Theobald. Einfachster Fall: die Beschriftung wird im Bauvorgang erzeugt und nicht erst später aufgebracht. Ein weiterer Schritt wäre dann beispielsweise die Topologieoptimierung. „Allerdings lohnt sich der Aufwand dafür eher im Serienbereich. Ein Einzelstück oder eine Kleinserie entsprechend anzupassen ist nach meiner Erfahrung nur in Spezialfällen kosteneffizient“, sagt Theobald abschließend.  

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